Zeitung: Passauer Neue Presse, Autor: Toni Daumerlang
Wenn man weiß, mit welcher Tragik das Lebensende von Franz Schubert aufwartete, dann muss ein musikalischer Bilderbogen wie sein Liederzyklus „Die Winterreise“ geradezu gespenstisch anmuten: In den letzten Lebensjahren (nach 24 Gedichten von W. Müller) komponiert und erst ein Jahr vor seinem Tode vollendet mutet er nicht nur wie eine Stimmungsreise durch diese triste Jahreszeit, sondern vielmehr noch als ein Abbild seiner tragischen persönlichen Situation mit Not, Armut, Krankheit, Trauer, Verzicht und Entsagung an.
Diese Grundstimmungen ziehen sich durch alle diese ausdrucksstarken Lieder, die – anders als im Zyklus „Die schöne Müllerin“ – fast durchwegs durchkomponiert sind und so der jeweils unterschiedlichen Stimmung Rechnung tragen. Wenn dann eine sehr kluge Regie den Konzerttermin just auf den 19. November, den Todestag Franz Schuberts, zu legen wusste, ist man der an sich schon starken Wirkung dieser Lieder vollends ausgeliefert, sodass man bei jedem der Einzelbilder unweigerlich noch tiefer in Schuberts Leben eintaucht.
Um es vorwegzunehmen: In der Verbindung Stephan Russek (Bariton) und Elmar Slama (Klavier) scheinen sich zwei Künstler gefunden zu haben, die nicht nur in überzeugender Weise ihr jeweiliges Metier von Grund auf beherrschen, sondern sich darüber hinaus bezüglich der Interpretationen fast blind zu verstehen scheinen, so dass alle Lieder wie aus einem Guss gestaltet wurden. Stephan Russek interpretierte auf erstaunlichem Niveau in beeindruckender Ausgewogenheit der Registerlagen von weicher Höhe bis in kraftvoll – sonore Tiefe und wusste zudem mit einer Klarheit der Artikulation zu überzeugen, die nur selten von anderen Sängern in dieser Deutlichkeit erreicht wurde, die dann aber freilich diesen Missstand dadurch zu kompensieren suchen, alle Liedtexte „zum Mitlesen“ vorzulegen; dies war an diesem Abend wahrlich überflüssig.
Der Begleiter Elmar Slama (Klavier) seinerseits erwies sich den ganzen Abend über nicht nur als höchst versierter Pianist, der nicht nur alle Stimmungen des Sängers einfühlsam zu unterstreichen wusste, sondern der die selbst von renommierten Begleitern gefürchteten heiklen Stellen („Lindenbaum“) souverän und problemlos zu realisieren wusste. Dass er dabei nicht zuletzt auf Grund seiner Erfahrung den Sänger fast unmerklich, aber höchst wirkungsvoll über alle Klippen versiert zu führen wusste, spricht für das gute Verständnis und die praktizierte Harmonie der beiden sympathischen Künstler. Nicht unerwähnt und damit aller Ehren wert sei angemerkt, dass der Bariton Stephan Russek alle 24 Lieder auswendig – ohne jegliche stimmliche Konditions-Einbußen und mit nicht nachlassender Intensität und Spannung – interpretierte und sich damit zweifellos den zusätzlichen Respekt des Publikums erwarb.
Fazit: Ein in jeder Hinsicht erfüllter Abend auf hohem Niveau, der nicht nur keinen Vergleich mit großen Namen zu scheuen braucht, sondern darüber hinaus wieder einmal bewies, dass anspruchsvolle Kultur bei freiem Eintritt auch in der mitunter abschätzig erwähnten Provinz stattfindet, allerdings ohne die in den Metropolen üblichen Millionen – Subventionen. Großer Beifall und dankbare Begeisterung für einen Liederabend, der zweifellos in Erinnerung bleibt.