Zeitung: Passauer Neue Presse, Autor: Marita Pletter (24. Januar 2012)
Ein Herr, der offensichtlich zum ersten Mal die Portenkirche gesehen und bereits vor dem Konzert das Ambiente bewundert hatte – zwischen den klassizistischen Wandmalereien unter den kostbar gearbeiteten frei schwebenden Engeln und dem herrlichen barocken Deckenfresko – er schien später nicht nur angetan von der Akustik, sondern vor allem dieser wunderbaren Musik, die am Samstagabend zur Aufführung kam und solche Akustik erst zur Geltung bringen sollte. Intensiver Applaus, Bravo-Rufe der hingerissenen Konzertbesucher in dem bis auf den letzten Platz frequentierten intimen, leicht ansteigenden Raum galt den beiden großartigen Musikern, die sich lächelnd verneigten, wiewohl das Publikum wusste, dass sie sich dennoch zu keiner „Zugabe“ bereit finden würden. Und gerade hier nach dieser schwerblütigen Interpretation der „Winterreise“ Franz Schuberts mit den bewegenden Texten von Wilhelm Müller schien solch ungeschriebene Regel einmal mehr nachvollziehbar. Man möge das nicht übel nehmen, so der Passauer Pianist Elmar Slama bedauernd, der daher empfahl: „Nicht leiden, sondern mit Lust leiden“. Gleichwohl: dieser Empfehlung nachzukommen mochte vielleicht für den einen oder anderen im Publikum während der Aufführung mit Ambivalenzen verbunden gewesen sein; so authentisch nämlich, so glaubwürdig klang während des 24 gliedrigen Lieder-Zyklus über den existenziellen Schmerz des Menschen auf „winterlichem“ Lebensweg ,die hervorragende Stimme des Bariton, Stephan Russek: voll natürlicher Innerlichkeit, sicher und warm in den tiefen wie den höheren Lagen, auch während der voluminös intendierten Passagen, jeder Ton stets von „Hof“ und „Schatten“ umgeben, geschützt:
Und das sowohl in der Nähe „der Liebsten Haus“ als auch im Lied der „Gefror’nen Tränen“, die fallen – mitgeweint und hervorragend kontrolliert von Elmar Slama am Flügel – als stoccatierte Viertel des lyrischen Ich. Da erscheint denn die technische Perfektion beider Künstler so selbstverständlich, dass man sie fast gar nicht als solche wahrnahm; und dieser junge Bariton, promovierter Dozent für Volkswirtschaft an der Universität Passau, mit wie viel – wenn auch verhaltener – Seele doch vermittelt er diese wunderbaren Texte und Melodien! Man hört, man spürt die Schule der renommierten Mijase Kaptan Borsts, die ihm Gesangsunterricht erteilt. Tadellos die Artikulation; eine jede Silbe versteht man. Die Zuhörer müssen sich in keinen Liedtext vertiefen, können ihn beim Singen anschauen, den sympathischen, bescheidenen jungen Mann. Er singt ohne Blatt.
Dass er ohne Blatt spiele, ist indes einem Pianisten schlecht zuzumuten. Dennoch hält Elmar Slama Blickkontakt zum Sänger. Slama spielt fantastisch, brilliert gerade in jener Art, sich hinter dem Gesang zurückzunehmen, etwas, das er denn fast zu kultivieren vermochte. Er ist ein begnadeter Klavierspieler, das weiß er, aber das macht nichts. Er erscheint als der ideale Begleiter jenes Wanderers, der einer großen Liebe entsagte, Einsamkeit, Selbstzweifel, Todesahnung ausgesetzt, auch vor dem Hintergrund unausgesprochener sozialpolitischer Rebellion, denn „Fremd bin ich eingezogen“ . Steht hier doch der Winter ebenso als subtile Metapher der staatlichen Verhältnisse zur Zeit Schuberts. Russek vermag indes mittels seiner Jugend, der intelligenten Ausstrahlung und tief berührenden Stimme dieser Liedinterpretation – inmitten all der Tristesse und Depression – so etwas wie Hoffnung zu verleihen. Und so dominiert bei der „Wasserfluth“ Innig -und Eindringlichkeit über der Trauer, Diese beiden Musiker bestechen einfach, während die Zuhörer in der Portenkirche reglos lauschen: all den Highlights am Piano, der leisen, weichen Tiefe dieses Baritons : beim „Lindenbaum“(„Am Brunnen vor dem Tore“), „Ich träumte von bunten Blumen“ und unweigerlich dem tief berührenden erlösenden Ende all dieser Stationen menschlicher Hoffnungslosigkeit und Passion: „Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?“