Gewohntes ungewöhnlich

Zeitung: Passauer Neue Presse

Auf den heimatlichen Konzertpodien lässt er gern anderen den Vortritt, übernimmt für Kollegen – vor allem besonders begabte junge – auch mal uneitel organisatorische Aufgaben, obwohl er selbst als Pianist eine ganze Menge zu sagen im Stande ist: Elmar Slama, ein Künstler ohne Allüren und als leidenschaftlicher Lehrer und Veranstalter fest in seiner Heimatstadt Passau verwurzelt, hat eine neue CD vorgelegt. Die dritte nach „Live in Japan“ und „Stille Wasser“: Beethovens populärste Sonaten, op. 27/2 cis-Moll („Mondscheinsonate“) und op. 13 c-Moll, vom Komponisten „Pathétique“ genannt, stehen Schumanns 19 „Kinderszenen“ gegenüber. Die wohl bezauberndsten Klavierminiaturen der Romantik. Diese Konfrontation hat Methode, denn der Klassiker Beethoven überschritt sehr früh die Schwelle zur Romantik, und die cis-Moll-Sonate steht als musikalischer Inbegriff für eine Epoche, in der das individuelle Denken und Fühlen immer mehr zum Zentrum der Kunst wird. Elmar Slama meidet hierbei alle Klischees, nimmt das Adagio relativ rasch, fast wie ein Bach-Präludium, versucht gar nicht erst, dem Mittelsatz große Bedeutung anzuhängen. Das rasende Presto agitato wird zum Tastendrama: Slama zieht das Tempo nicht, wie etwa Gulda, konsequent durch, sondern setzt durchdachte Akzente und winzige Verzögerungen, die den Satz aus der bloßen Virtuosität in die höchsten Höhen kompositorischer Genialität heben. Auch mit der c-Moll-Sonate hat sich Elmar Slama tiefgründend auseinandergesetzt. Das einleitende Grave kommt fast rezitativisch daher, ehe der Sturm-und-Drang-Satz aus Beethovens jungen Jahren so richtig losbricht. Irgendwie hat man das Gefühl, hier will einer mit Musik etwas erzählen. Das gilt auch für die folgenden Sätze, ein mit ausgeglichener Ruhe und wunderbar ausphrasierter Melodik vorgetragenes Adagio cantabile und das fast ausgelassen dargebotene Rondo. Ein romantisch schwer lastender Beethoven ist Slamas Sache nicht, vielmehr eine „moderne“ Auseinandersetzung mit Werken, für die es keine abschließende Betrachtungsweise geben kann. Schumanns „Kinderszenen“ spielt Slama wohl mit festem Zugriff, aber immer auch auf die damit verbundenen Titel hin, die damit sehr leicht nachvollziehbar sind. Die Tempi sind straff, aber nie überzogen. Jede der Miniaturen bezeugt ernsthaft künstlerische Auseinandersetzung des Interpreten. Am Montag um 19.30 Uhr wird die neue Aufnahme im Passauer Schloss Freudenhain präsentiert. Hermann Schmidt


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