Laudator Monsignore Dr. Bernhard Kirchgesssner
Laudatio
Sommer 2006. Papa ante portas. Für Urlaub keine Zeit. Die wenigen freien Tage im August dienen der Vorbereitung einer Meditationsreise unseres Exerzitienhauses spectrum Kirche, die den Spuren Benedikts des Heiligen nach Latium und Benedikts des Papstes in Rom folgt. Müde von den wöchentlichen Pendelfahrten zwischen Passau und Altötting, erschöpft von den unzählig vielen Vorbereitungsgesprächen der päpstlichen Pastoralreise nach Bayern komme ich anfangs August an der ersten Station meiner Latiumreise in Norcia an und cheque im Hotel „Grotta Azzurra“ ein. In der sicheren Gewissheit, an diesem abgelegenen Ort im umbrischen Appenin auf keine bekannten Gesichter zu stoßen, freue ich mich auf drei ruhige Tage im Geburtsort des Ordensgründers. Doch weit gefehlt! Nach dem Auspacken der Koffer erfragte ich den hoteleigenen Parkplatz; dort angelangt traute ich meinen Augen kaum, denn sie erblickten vier Autos mit PA – Kennzeichen. Mit einem Blick gen Himmel seufzte ich: „Lieber Gott, ich danke Dir, dass andere Passauer schon vor mir da waren“. Und mit einem grimmigen „Vergiss es!“ – damit meinte ich den Erholungswert meiner freien Tage – ging ich zum Hotel zurück, wo mich abends 15 heftig akklamierende Schüler, etliche Begleitpersonen und Elmar Slama beim Abendessen begrüßten. Wie schön es doch ist, sich gänzlich frei und unbeobachtet außer Landes bewegen zu können. Andere mögen im Laufe der Jahrhunderte Norcia mit Waffen eingenommen haben, die Passauer eroberten das kleine Städtchen mit dem Klavier. Mein Gedächtnis rief mir ein längst vergessenes Gespräch mit Herrn Slama in Erinnerung, bei dem er mir von sommerlichen Klavierkursen unter südlicher Sonne erzählte. Da waren sie also, die wackeren Streiter hehrer Musik, die sich abends in der säkularisierten chiesa di San Francesco wahre Musikschlachten mit ihren italienischen Freunden lieferten, bei denen einzig die Herzen der Zuhörer aufs Angenehmste verwundet wurden. Deutsche und italienische Jugendliche musizierten um die Wette. Konzertbeginn war, typisch italienisch, nach dem Abendessen; präziser ließ sich der Zeitpunkt nicht bestimmen. Hatte einst der junge Benedetto Norcia verlassen, um sich in Rom die fürs Leben notwendige Bildung anzueignen, so zog es nun junge Deutsche und Italiener nach Norcia, um sich dort via musica eine Bildung des Herzens anzueignen. Sinnvoller kann man Jugendliche nicht von der Straße holen, besser kann man sie nicht auf das Leben vorbereiten, als in Musikkursen an der Wiege jenes Mannes, der wie kaum ein anderer das christliche Abendland prägte. Ich gestehe, mir nötigte dieses wunderbare Erlebnis größten Respekt ab. Die in Norcia geweckte Begeisterung wurde in mir aufs Neue wach, als ich mir jüngst, jeweils samtags und sonntags, ein ganz persönliches Musikprogramm wählte: „Slama III“ statt „Bayern III“. Ehe Sie die Augenbrauen hochziehen versichere ich Ihnen: das hat was – für sich. Musikliteratur für Klavier aus der Zeit der Romantik, Beethovens „Pathétique“ (1798/99) und des tauben Tonmeisters „Mondscheinsonate“ (1801) sowie Robert Schumanns Kinderszenen (1838). Da ich der Kirchen Kirchgessner, nicht jedoch der Klavier Kaiser bin, werde ich mich hüten, Sie mit musikwissenschaftlichen Details zu traktieren – zumal Hermann Schmidt in bekannt exzellenter Manier dies bereits in der samstäglichen PNP hinter uns gebracht hat – und statt dessen in einigen Marginalien die Charakeristika der drei Stücke herausstellen. „Grande Sonate Pathétique“ schreibt der Bonner Meister über die seinem Freunde und Förderer, dem Fürsten Karl von Lichnowsky gewidmete „Pathétique“, die nach Aussage von Fachleuten als Durchbruch zu einem neuen Ausdrucksstil angesehen werden muß. Dieser bekannten Komposition fügte Elmar Slama die „Sonata quasi una Fantasia“ bei, die vom Musikkritiker Ludwig Rellstab in Erinnerung an eine Bootsfahrt auf dem Vierwaldstättersee „Mondscheinsonate“ genannt wurde und durch eine ungewöhnliche Satzfolge besticht. Sie gehört ob ihres emotionsbestimmten Stils zu den populärsten Klavierwerken des 1827 in Wien verstorbenen Compositeurs. Ja, manche sehen in ihr eine unverhohlene Liebeserklärung an Beethovens Klavierschülerin Giulietta Gräfin Giucciardi. Ob nun die vermutete Verliebtheit der Grund solch romantischer Sentiments war oder auch nicht: Mit ihr hat uns Beethoven ein kostbares Vermächtnis hinterlassen, an dem wir uns alle erbschaftssteuerfrei delektiern dürfen. Ein musikalisches Vergnügen besonderer Art stellt Robert Schumanns 1838 vertonter Zyklus „Kinderszenen“ dar, dem der Komponist Gedichte eines Zyklus zugrunde legte und diese in romantisch kaum zu überbietender Weise vertonte. Doch mit Musik, verehrte Damen und Herren, ist es wie mit der Liebe. Sie können lange über Musik parlieren ohne am Ende zu wissen, wie selbige klingt. Mein hochverehrter Namenspatron Bernhard von Clairvaux kämpfte mit eben dieser Hürde, als er sich von 1135 bis 1153 mühte, seinen 700 Mönchen das atl. Hohelied der Liebe zu deuten, das mit dem wunderbaren Satz der Braut anhebt: „Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes.“ Nachdem der Abt von Clairvaux sich in 8 langen Predigten redlich gemüht hatte, diesen Satz zu explizieren, spürte er in der 9. Predigt das Ungenügen seiner Worte angesichts des Phänomens Liebe und ruft seinen Mönchen zu: „Lange genug haben wir uns mit dem Kusse aufgehalten; doch muss ich ehrlich bekennen: ich habe mich noch nicht würdig genug darüber ausgedrückt…DENN EIN KUSS WIRD VERSTÄNDLICHER AUFGEDRÜCKT ALS AUSGEDRÜCKT.“ In diesem Sinne sei hiermit alles Theoretisieren über Musik und Elmar Slamas neue Einspielung meinerseits beendet, denn die Farbe meiner Worte vermag nicht annähernd an den Klang der Noten heranzureichen. Überzeugen Sie sich selbst! Elmar Slama wird sie nächtens bei Kerzenschein und einem Glas Rotwein zu den romantischsten Gefühlen animieren, deren Sie fähig sind, Beethovens und Schumanns Klavierwerke werden Sie enthusiasmieren und eine Musik von unvergänglicher, geradezu göttlicher Schönheit wird Sie küssen. Was wollen Sie mehr für 15.- Euro? Dr. Bernhard Kirchgessner