Das Chopin-Finale: Aeneas Meier und die „Préludes“

Ver 0.30N

Hier die ungekürzte Rezension der Passauer Neuen Presse vom 28. Februar 2014:

Leidenschaft und Seelentiefe

Aeneas Meier bei Piano Mora

Sehr voll präsentierte sich auch diesmal wieder der Große Auswahlsaal im Piano-Haus Mora: und zwar anlässlich des Finales der Veranstaltungsreihe mit Konzerten der Klavierklasse Elmar Slama: „Chopin V“ titelte dieser bereichernde  Mittwochabend, an dem Aeneas Meier, der am Auersperg-Gymnasium sein Abitur machte und seit 2012 an der Münchner  „Hochschule für Musik und Theater“ Klavierpädagogik  studiert, Frèderic Chopins „Préludes“ zur Aufführung brachte. Diese bedeutungsvolle 24-teilige Sammlung an berückenden Musiken gilt als einer der großen Schaffens-Höhepunkte Chopins . Und man hatte die „Préludes“ mit ihren einfachen wie hochvirtuosen Kompositionen, ihren kargen „Worten“ wie der überwältigenden Tiefensprache  nicht von ungefähr ans Ende dieses Konzertzyklus gesetzt: vorausgegangen waren während der vergangenen Monate sämtliche Nocturnes, die Slama selber spielte, während alle vier Balladen wie auch die Scherzi dessen Schüler zur Aufführung  gebracht hatten. Sehr viel heftigen Applaus gab’s stets, auch an diesem Abend für Aeneas Meier, den gebürtigen Vilshofener, sympathisch, hochbegabt, bescheiden: „Ja gerne“ gebe er noch eine zweite Zugabe, so meinte er, die Noten auf dem Flügel sortierend, nachdem er bereits eine Rachmaninov – Prélude nachgelegt hatte; aber „eigentlich zu schade“ hatte er dann befunden unter dem Gelächter der Zuschauer; die hätten  sich gar nicht betroffen fühlen müssen. Denn „schade“ schien es dem jungen Pianisten um diese  Bach-Bearbeitung, jenes Busoni -Stück, weil er’s nicht genügend geübt habe, wie er meinte. DASS er nicht genügend geübt hatte, das hätte wirklich niemand behaupten können. Das Publikum schien ganz aus dem Häuschen: “Das ist der Wahnsinn“ sagte  jemand beim Hinausgehen und  genügend andere werden es wohl gleichfalls gedacht haben. Denn als virtuos empfanden die still sitzenden Besucher das Spiel dieses jungen Pianisten, Aeneas Meier; reglos saßen sie auf den Rängen, in den Stuhlreihen an den Seiten des Raumes, lauschten diesem dichten spannungsschwangeren, dramatischen  Spiel, den  mitunter rasenden Läufen, den Wechselbädern aus zarter poetischer Distanz und herber Melancholie, aus sparsam angedeutetem  Empfinden und  leidenschaftlicher Seelentiefe: Der Tiefe jenes Des-Dur Prélude Nr. 15 mit finster zentriertem Part, dem Preludieren als Phantasieren, der Regentropfen-Prelude. Da ist jene Nr. 20, c-moll: langsam schreitend, schwer getragen gleich einem Trauermarsch; da  ist diese überragende  b-moll Nr. 16 mit ihren ungeheuren Oktavsprüngen. Und man konnte Meiers Klavierlehrer, Elmar Slama, zufrieden lächeln sehen  auf seinem Platz. Überhaupt mochte der junge Aeneas Meier  die Zuhörer nachvollziehen lassen, was vielleicht einst der deutsche Komponist und Musikschriftsteller, Louis Ehlert, gemeint haben könnte, als er von  Chopins  Préluden als von „kleinen  Sternbildern sprach, die sich im Niederfallen zu Tönen auflösen“. Alice Herz-Sommer, vergangene Woche mit 110 Jahren in London verstorbene letzte bekannte Holocaust –Überlebende und  weltweit renommierte Pianistin, hatte gesagt, dass allein die 24 Préludes Frederic Chopins „Stunden um Stunden  zu spielen“  ihr geholfen hatten, aus der  Depression vor der KZ-Deportation  herauszukommen: “Sie sind die größte Anforderung an jeden Pianisten“. Schmerz und Leid auch zentriert  jene Chopin – Komposition, welche Aeneas Meier im Anschluss an die Préludes intonierte, wenn auch in einer Bearbeitung des jungen, im Saale gleichfalls anwesenden, 1984 geborenen Komponisten, Steven Heelein: „Matka, moja, biedna matka“ titelt diese Literatur  – „Mutter, meine arme Mutter“,  sollen  die letzten Worte Chopins auf dem Sterbebett gewesen sein.

Text und Foto: Marita Pletter

 

 

 

 

 


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